Jens Schwarzbach studierte Psychologie an der Philipps-Universität Marburg. Von 1994 bis 1999 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Braunschweig. 1999 promovierte er an der TU Braunschweig (summa cum laude). Die Promotionsarbeit hatte den Titel “Priming of eye movements with masked stimuli”. 1999-2001 war Jens Schwarzbach Postdoctoral Fellow am Zanvyl Krieger Mind/Brain Institute der Johns Hopkins University, Baltimore, MD, U.S.A und von 2001 bis 2005 Assistant Professor an der Universiteit Maastricht, Niederlande.
Von 2002-2005 war Schwarzbach Principal Investigator der Arbeitsgruppe “Wahrnehmung und Aufmerksamkeit” am F.C. Donders Centre for Cognitive Neuroimaging und von 2006-2015 Associate Professor beim Center for Mind/Brain Science an der Università degli Studi di Trento, Italien. Des weiteren war er Co-Direktor des Labors für Magnetresonanztomographie (2006-2013). 2015 folgte die Berufung zum W2-Professor für Biomedizinische Bildgebung an die Universität Regensburg.
Ich leite am Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie die Arbeitsgruppe für biomedizinische Bildgebung.
Der Schwerpunkt meiner Veranstaltungen ist im Bereich der Klinischen und Kognitiven Neurowissenschaften. Wir beschäftigen uns u.a. damit, wie man mithilfe von bildgebenden Verfahren (insbesondere der funktionellen und strukturellen Magnetresonanztomografie (MRT)) Biomarker für psychische Erkrankungen, z.B. Angst oder Depression, entwickeln kann, welche wir dann in der Diagnostik, Prognose, Verlaufskontrolle und der Therapie selbst einsetzen wollen. Diese Veranstaltungen richten sich an einen breiten Kreis von Studierenden in der Medizin, Psychologie, Biologie, Physik, sowie der Bioinformatik und Medizininformatik.
Zurzeit weisen tatsächlich alle meine Lehrveranstaltungen einen Bezug zur KI auf. Das Seminar „Machine Learning for Neuroscience“, welches ich mit Prof. Lingnau (Lehrstuhl für Cognitive Neuroscience am Institut für Psychologie) unterrichte, gibt eine Einführung in die wissenschaftliche Erforschung und Modellierung Kognitiver Prozesse wie Visuelle Wahrnehmung und Objekterkennung sowie Psychischer Störungen wie Angst und Depression. Zum Beispiel diskutieren wir, inwieweit Repräsentationen der sogenannten „hidden layers“ in deep-learning Modellen den neuronalen Repräsentationen im menschlichen Gehirn entsprechen und wie veränderte Repräsentationen im Gehirn psychisch Erkrankter uns bei der Modellbildung wertvolle Informationen liefern könnten.
In der Fortführungsveranstaltung „Deep- and Machine Learning for Neuroscience and Medicine“ widmen wir uns vor allem dem Deep-Learning in Künstlichen Neuronalen Netzen im Bereich der medizinischen Bildgebung mit dem Schwerpunkt auf funktioneller und struktureller Magnetresonanztomografie.
Hier gehen meine Mitstreiter und ich sehr verschiedene Wege, die wir auf das Vorwissen unserer Studierenden gezielt abstimmen. Zum Beispiel haben Frau Prof. Lingnau und ich für „Machine Learning for Neuroscience“ das Problem Based Learning (PBL) Format gewählt. Wir beginnen mit einem Problem-Statement wie „Do andoids dream of electric sheep?“ oder „Deep neural networks work in the same way
as the visual cortex” und die Studierenden explorieren das Thema in einer strukturierten Diskussion, bei der sie herausfinden, was Sie wissen, aber vor allem über welche relevanten Fragen sie zu wenig wissen. Diese Punkte erarbeiten sie sich selbstständig bis zum nächsten Termin, bei dem am Anfang diese Themen dargestellt und zusammengefasst werden, bevor man mit dem nächsten Problem-Statement weitermacht. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sich Studierende mit unterschiedlichem Vorwissen gegenseitig auf einen Stand bringen, bei dem eine Diskussion Spaß macht.
In der Fortsetzungsveranstaltung, die ich nicht nur wegen der Umstände, sondern aus Überzeugung im digitalen Format unterrichte setze ich auf starke Eigeninitiative beim Selbststudium mithilfe von frei verfügbarem online Material wie den Google-Crash-Course Machine Learning, und kommerziellen Kursen, welche z.B. die Firma NVIDIA kooperierenden Universitäten zur Verfügung stellt. Hier können Studierende auf dem Niveau lernen, welches sie am meisten weiterbringt. In wöchentlichen Videokonferenzen arbeiten wir die kritischen Punkte noch einmal nach und entwickeln gemeinsam Projektideen, welche die Studierenden in der zweiten Semesterhälfte umsetzen.
Kommunikation: Studierende lernen, in verständlicher Sprache über den Bezug von KI und Maschinenlernen mit ihrem Fachbereich zu sprechen. Das hilft ihnen bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen aber auch in Zukunft, wenn sie ggf. Expertenteams führen sollen.
Abstraktion: Machine Learning, vor allem Deep Learning, ist gegenwärtig vom Bereich Objekterkennung und Klassifikation dominiert. In meinen Kursen sollen die Studierenden Lernen, dieses Wissen auch auf ganz neue Fragen anzuwenden und dabei die Essenz des Machine Learnings verstehen.
Wo soll ich anfangen? Ich erwarte, dass KI in meinem Kernbereich, der Precision Medicine bzw. Precision Psychiatry hochgradig nützlich wird. Wenn es uns gelingt, mit Maschinenlernen Biomarker für Psychische Erkrankungen zu finden, mit denen wir z.B. voraussagen können welche Therapie einem bestimmten Depressionspatienten am besten hilft, kann KI Leben retten.
In gegenwärtigen und zukünftigen Debatten spielen Datensammlungen und Datenschutz eine große Rolle. Das macht vielen Menschen berechtigte Sorgen. Ich möchte, dass die Studierenden das Potenzial der KI erkennen, sogar ihr Potenzial, die mit ihr verbundenen Gefahren einzudämmen. Zum Beispiel kann man MRT-Aufnahmen für große Datensammlungen mit sog. GANs (generative adversial networks) sehr gut anonymisieren.
Aktuell beschäftige ich mich mit der Frage, wie man aus der Hirnaktivierung den augenblicklichen emotionalen Zustand eines Probanden dekodieren kann. Daraus möchte ich ein Neurofeedbackverfahren entwickeln, mit dem man möglicherweise Angst und Depressionen behandeln kann.
Neben dem o. a. Projekt zum Neurofeedback habe ich mich mit maschinellem Lernen in der MR-Bildgebung befasst, z.B. haben wir mithilfe von support vector machines (SVM) gezeigt dass beim Menschen abstrakte Repräsentationen von sensorischen Entscheidungen im Parietallappen existieren, oder dass in bestimmten Hirnarealen bei Phobikern, hier Probanden mit Spinnenangst, furchtkonditionierte Reize mit phobischen Reizen verwechselt werden. Das kann wichtig für die bildgebungsgestützte Psychotherapie werden.
Ich habe Psychologie mit Nebenfach Informatik in Marburg studiert. Im zweiten Semester stieß ich auf eine Lehrveranstaltung zu künstlichen Neuronalen Netzen. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. In meiner Diplomarbeit habe ich visuellen Neglect, eine neurologische Störung, mit neuronalen Netzen simuliert. In meiner Doktorarbeit habe ich unter anderem neuronale Netzwerk Simulationen benutzt, um die motorische Verarbeitung von unbewussten Reizen zu erklären. Während der Studien- und Dissertationszeit habe ich internationale Sommer- und Winterschulen besucht, um mich in diesem Themenbereich fortzubilden und ein Praktikum in der Neural Network Research Group bei BOEING in Seattle absolviert.
Mir fällt das leicht. Für mich lag der Schwerpunkt immer darin biologische Systeme durch künstliche Systeme zu verstehen, bzw. künstliche Systeme mit Wissen aus der Biologie leistungsfähiger zu machen. Seit ein paar Jahren wende ich nun diese Kenntnisse in der Biomedizinischen Bildgebung an, um die Precision Medicine weiterzuentwickeln. Das Thema weckt bei mir Begeisterung und die möchte ich vermitteln.
Dass eben KI für mich nicht künstlich ist, sondern eine wissenschaftliche Methode, mit der ich den Menschen besser zu verstehen versuche. Erkenntnisgewinn steht dabei für mich an erster Stelle.
Meine ganze Arbeit hier in Regensburg verstehe ich als fächerübergreifend, denn ich bin in der interessanten Außenseiterrolle, als Nichtmediziner eine Professur in der Medizin zu haben. Dabei kann man einfach viel lernen, sowohl fachlich als auch in der Kommunikation. Zurzeit arbeiten wir mit Physikern und Ärzten in der Nuklearmedizin an einer Projektidee, wie man die Bildauflösung von Positronemissions-tomografen (PET) und MRTs mit neuronalen Netzen erhöhen kann. Mit Kolleginnen und Kollegen aus der Psychologie arbeiten wir an der Erforschung von Furcht und Angst sowie Grundlagen der Kognitiven Neurowissenschaften und ich freue mich schon auf den wissenschaftlichen Austausch mit Mitgliedern der neuen Fakultät für Informatik.
Dass die KI-Forschung Teil oder Kopf eines interdisziplinären Projekts wird, welches sich der Erforschung grundlegender menschlicher Fähigkeiten, der Gesundheit und den Erkrankungen inklusive deren Therapien widmet. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist mit der Gründung der Fakultät für Informatik und mit der KI-Initiative der Landesregierung geschehen. Jetzt sind wir gefragt, etwas daraus zu machen. Meine Wunschvorstellung bezüglich der größten Veränderung zum Status Quo ist, dass Regensburg eine wichtige Rolle dabei spielt, wenn die KI und die Medizin gemeinsam das Leben von Patienten verbessern.
Das ist eine tolle Initiative. Ich bin gerne dabei mit Vorträgen (wie z.B. beim DataScience meetup im Februar 2020), sowie interdisziplinären Lehrveranstaltungen, Praktika und wissenschaftlichen Kollaborationen.
Ich glaub, ich habe für heute genug geschrieben. Danke nochmals, für Ihre Initiative.
Herr Schwarzbach, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben, uns diese Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!