Interview mit Prof. Dr. Gregor Volberg

Prof. Dr. Volberg ist am Lehstuhl für Allgemeine Psychologie I und Methodenlehre, der dem Institut für Psychologie zugeordnet ist, beschäftigt. Dort gibt er verschiedene Bachelor- und Masterkurse. In den Bachelor-Kursen widmet er sich besonders den grundlegenden, fachspezifischen Methoden. Die Master-Studierenden unterrichtet er in weiterführenden Methoden, z.B. zur Verarbeitung und Analyse neurowissenschaftlicher Daten.

In der Forschung fokussiert er sich auf die visuelle Neurowissenschaft und neue Analyse-Techniken der Elektroenzephalografie (EEG). In zwei aktuellen Projekten beschäftigt er sich zum einen mit den neuronalen Mechanismen der Konturintegration und zum anderen mit der Graphem-Farb-Synästhesie.

Prof. (apl.) Dr. Gregor Volberg
Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie I und Methodenlehre
Ich arbeite am Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie I und Methodenlehre, Institut für Psychologie.
Im Bachelorstudiengang Psychologie unterrichte ich fachspezifische Methoden. Dazu gehören Techniken des Experimentierens sowie statistische Verfahren zur Auswertung von Experimentaldaten. Im Masterstudiengang Psychologie unterrichte ich Methoden zur Verarbeitung und Analyse neurowissenschaftlicher Daten. Dazu gehört ein Seminar zur Auswertung von EEG-Daten mit Matlab und ein Seminar zur Modellierung von Verhaltensdaten mit R.
In einem meiner Seminare für den Masterstudiengang geht es um formale Modelle der menschlichen Kognition und des Verhaltens. Das Ziel beim Modellieren ist, die Prozesse zu verstehen, die menschlichen Leistungen zugrunde liegen. Damit unterscheidet sich die Zielsetzung von typischen Anwendungen des Maschinenlernens. Beispielthemen sind manuelle Wahlreaktionen und Kategorisierungen.
Die Themen meiner Master-Seminare sind für die meisten Studierenden neu. Wir arbeiten aber in beiden Seminaren mit Experimentaldaten, darin sind die Studierenden der Psychologie sehr geübt. Das generelle Vorgehen bei der Anpassung formaler Modellen der Kognition (Modell spezifizieren – Parameter schätzen – Modellgüte bestimmen) ist zudem ähnlich wie bei konventionellen Modellen der parametrischen Statistik, welche die Studierenden schon kennen.
In beiden Veranstaltungen mit Skriptsprachen erlernen die Studierenden grundlegende Programmiertechniken. Im Seminar „Modellieren von Verhaltensdaten“ lernen die Studierenden verschiedene formale Modelle zur Beschreibung von Kognition und Verhalten kennen, z. B. Diffusionsmodelle. Sie können Modellparameter anpassen und die Modellgüte bestimmen. Der erarbeitete Code kann später leicht auf eigene Fragestellungen angepasst werden kann. Im Seminar „Analyse von EEG-Daten mit Matlab“ lernen die Studierenden das Vorgehen bei der Analyse elektroenzephalografischer Daten, von der Vorverarbeitung bis zur Ergebnisdarstellung.
In den Neurowissenschaften, insbesondere in der Bildgebung, gibt es einen Trend zu immer abstrakteren Datenbeschreibungen. Man betrachtet nicht mehr nur fokale Gehirnaktivität, sondern ganze Aktivitätsmuster im Zeitverlauf. Zur Identifizierung von Aktivitätsmustern unter bestimmten Aufgaben- oder Reizsituationen eignen sich Maschinenlernalgorithmen. Die Studierenden brauchen ein Grundwissen in diesen Methoden, um aktuelle Forschungsergebnisse verstehen zu können.
Ich arbeite zu Themen der visuellen Neurowissenschaft, vor allem mit EEG- und Verhaltensdaten. Mich interessiert, wie getrennt repräsentierte visuelle Informationen in der Wahrnehmung zu einem Objekt zusammengefasst werden (z. B. verschiedene Merkmale wie Farbe und Form des gleichen Reizes, oder Reizmerkmale an verschiedenen Orten). Ein besonders interessantes Phänomen ist die Synästhesie, bei der zusätzlich zu einer normalen Wahrnehmung ein weiteres Wahrnehmungserleben auftritt. Zum Beispiel gibt es Personen, die den Buchstaben „M“ immer als rot gefärbt wahrnehmen. Derzeit läuft eine internationale Multicenterstudie zur Rolle der Sprache bei der Synästhesie an, ich werde die Personen mit deutscher Muttersprache untersuchen.
Dazu gibt es ein aktuelles Beispiel aus meiner Forschung zur Synästhesie. Die Zuordnung von Farben zu Graphemen ist bei Personen mit Synästhesie individuell verschieden. Während zum Beispiel eine Person den Buchstaben „M“ in roter Farbe sieht, nimmt eine andere Person den Buchstaben als gelb wahr. Mich hat interessiert, ob innerhalb einer Person ähnliche Buchstaben ähnliche Farben haben, ob also zum Beispiel die Buchstaben „M“ und „N“ beide rot wären. Dafür habe ich Distanzmatrizen für Buchstaben aus künstlichen neuronalen Netzen verwendet, welche die Ähnlichkeit der Repräsentationen in verschiedenen Strukturen des visuellen Kortex abbilden. Für die Farben habe ich ebenfalls Distanzmatrizen erstellt, beide Distanzmatrizen in eine räumliche Repräsentation überführt und die Repräsentationen mit speziellen Optimierungsverfahren aufeinander abgebildet. Die Übereinstimmung der beiden Repräsentationen (Formen und Farben) sollte natürlich besonders hoch sein für diejenigen Gehirnstrukturen, welche die synästhetische Farbwahrnehmung auslösen. Die Ergebnisse zeigen bislang ein heterogenes Bild mit individuell guten Passungen zwischen Farb- und Formrepräsentationen in unterschiedlichen Gehirnstrukturen. Mit dem großen Datensatz aus der oben beschriebenen Multicenterstudie können die individuellen Unterschiede möglicherweise aufgeklärt werden.
Während meines Studiums in Bochum habe ich Veranstaltungen des Postgraduiertenstudiengangs „Neuroinformatik“ besucht. Seitdem interessiere ich mich für die Simulation von menschlichen Kognitionen in technischen Systemen. Mein Wissen zu diesen Themen ist aber überwiegend aus den Erfordernissen der wissenschaftlichen Arbeit im Selbststudium erwachsen.
Ich nutze Methoden mit KI-Bezug für die Auswertung von Experimentaldaten und für spezielle Hypothesenprüfungen. Wenn dieser Anwendungsbezug da ist, geht es ganz gut von der Hand. Konventionelle Statistiken finde ich aber in der Anwendung leichter und verwende sie auch häufiger.
Mich interessieren Modellierungen als Werkzeug für Empiriker. Formale Modelle zwingen einen, explizit und präzise zu sein.
Es gibt eine Reihe informeller Kooperationen am eigenen Institut. Darüber hinaus gibt es Kooperationen, ebenfalls informell, zu Tinnitus (MedBo) und zur Analyse multimodaler neurowissenschaftlicher Daten (Arbeitsgruppe Maschinenlernen der Universität Regensburg). Eine formelle Kooperation zum Thema Synästhesie besteht mit einem Kollegen der Universität Amsterdam.
Das Thema Maschinenlernen wird in der neuen Fakultät für Informatik der Universität Regensburg prominent vertreten sein. Für Studierende aus nicht-technischen Disziplinen ist das Thema möglicherweise schwer zugänglich. Ein niederschwelliges Lehrangebot für diese Studierenden fände ich schön.
Die Idee der gemeinsamen Darstellung von Aktivitäten zum Thema KI/Maschinenlernen finde ich schön. An den auf der Website aufgeführten Projekten bin ich derzeit nicht beteiligt.
Als Empiriker möchte ich darauf hinzuweisen, dass Big Data als Rohstoff für Maschinenlernen ja erst einmal generiert und bereitgestellt werden muss. Die Bereitschaft dazu kann durch Open Science – Initiativen in den Fachdisziplinen gefördert werden.


Herr Volberg, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben, uns diese Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!

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