Interview mit Prof. Dr. Florian Hartig

Nach seinem Studium in Theoretischer Physik war Florian Hartig Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg und seit 2016 ist er W2 Professor an der Universität Regensburg.

Seine Forschung konzentriert sich auf Theorie, Simulationsmodelle und statistische Methoden in Ökologie, Evolution und Naturschutz. Beispiele für neuere Aktivitäten sind die Entwicklung statistischer Software (z.B. die R-Pakete DHARMa und BayesianTools), die Modelldatenintegration dynamischer Vegetationsmodelle (z.B. Hartig, F., Dyke, J., Hickler, T., Higgins, S., O’Hara, R., Scheiter, S. & Huth, A. (2012): Connecting dynamic vegetation models to data – an inverse perspective. J. Biogeogr., 39, 2240-2252. Onlineversion), statistische Anwendungen, Methodenvergleiche und die Koexistenztheorie.

Neben dem Durchsuchen seiner Veröffentlichungen (z.B. auf Google Scholar) können Sie mehr über seine letzten Aktivitäten auf seinem Forschungsblog, auf GitHub oder auf Twitter erfahren: @florianhartig

Florian Hartig
Theoretische Ökologie
Ich vertrete das Fach „Theoretische Ökologie“. In meiner Arbeitsgruppe nutzen wir statistische Methoden und Simulationen, um Theorien über die Organisationsprinzipien von Ökosystemen zu entwickeln, und diese mit Daten abzugleichen. Ein wichtiges Forschungsfeld für uns ist die Reaktion von Ökosystemen, insbesondere Waldökosystemen, auf den Klimawandel. Hierzu forscht neben meiner eigenen Arbeitsgruppe auch die bei mir assoziierte Nachwuchsforschergruppe von Frau Dr. Hülsmann, die vom bayrischen Klimaforschungsnetzwerk bayklif finanziert wird. Wir forschen aber auch zu anderen Themen, insbesondere der Entstehung und Erhaltung von regionalen und globalen Biodiversitätsmustern, Artinteraktionen, und vieles mehr.

Der Schwerpunkt unsere Lehre ist im Bereich Biostatistik, Data Science und maschinelles Lernen. Wir bieten aber auch ökologischer ausgerichtete Veranstaltungen an, z.B. die Vorlesung „Evolutionäre Spieltheorie“, in dem die Studierenden klassische Theorien zur Evolution von kooperativem Verhalten durch Computersimulationen nachvollziehen

Wie oben schon erwähnt ist dieser Bereich der Schwerpunkt unserer Lehre, und wir bieten demnach diverse Veranstaltungen im Bereich Statistik und ML an. Ein Beispiel ist unser Blockkurs 54379: Machine Learning and AI in TensorFlow and R. Eine vollständige Liste unserer Veranstaltungen in diesem Bereich befindet sich hier.

Es kommt auf die Veranstaltung an. Ich unterrichte z.B. die Grundvorlesung Statistik für Biologen im BSc. Das ist eine reguläre Vorlesung mit Übungen. Für die „höheren Semester“ (d.h. MSc / PhD) unterrichten wir dagegen praktisch ausschließlich in Blockkursen, welche normalerweise in einem CIP Pool, und jetzt aufgrund der COVID-19 Pandemie per Zoom abgehalten werden. Wir legen großen Wert auf problem- und kompetenzorientiertes Lernen mit einem klaren Praxisbezug, und die Kurse sind demnach als eine Mischung aus Vorlesungen, Übungsaufgaben, und freieren Projekten konzipiert. Das nötige Vorwissen für den jeweiligen Kurs ist im Vorlesungsverzeichnis beschrieben. Natürlich sind die oft relativ heterogenen Vorkenntnisse eine Herausforderung für die Lehre, an die wir aber inzwischen recht gut angepasst sind.

Das hängt vom Kurs ab. Im Allgemeinen handelt es sich um die Fähigkeit, statistische und KI Probleme zu verstehen und praktisch lösen zu können. Das genaue Lernziel ist normalerweise im Vorlesungsverzeichnis beschreiben.

KI oder ML zurzeit einfach ein sich rasant entwickelndes Forschungsfeld mit breiten Anwendungsbereichen in Forschung und Wirtschaft. Das Thema ist ja fast universell relevant, von den Geisteswissenschaften (Stichwort Digital Humanities) über die Lebenswissenschaften bis zu den „harten“ Naturwissenschaften

Wir arbeiten wie gesagt an der Schnittstelle zwischen ökologischer Theorie und Daten. D.h. wir werten (große) ökologische Daten aus und programmieren Computersimulationen, aber entwickeln auch statistische Software und Methoden (siehe hier).
Ja, wie gesagt, es gibt da diverse Bezüge. Einen Überblick findet man auf meiner Publikationsliste. Ein Beispiel ist der kürzlich erschienene Artikel meines Doktoranden Maximilian Pichler: Pichler, M., Boreux, V., Klein, A. M., Schleuning, M., & Hartig, F. (2020): Machine learning algorithms to infer trait‐matching and predict species interactions in ecological networks. Methods in Ecology and Evolution, 11(2), 281-293. Onlineversion

Es kommt darauf an, was man mit „Umgang“ meint. Der KI / ML Bereich ist wesentlich jünger und weniger entwickelt als z.B. die Statistik. Das macht die Forschung tendenziell einfacher und kreativer. Es ist auch so, dass im KI Bereich gerade eine regelrechte „Goldgräberstimmung“ herrscht, sowohl bezüglich der bereitgestellten Fördermittel als auch bezüglich des Interesses von wissenschaftlichen Journalen. Aufgrund dieser positiven Rahmenbedingungen bewegt sich das Feld aber auch mit einer irren Geschwindigkeit, d.h. man muss ständig am Ball bleiben, und es gibt eine signifikante Gefahr, dass andere Leute an dem gleichen Problem arbeiten.

Mich interessiert an der Statistik insgesamt die Herausforderung, Algorithmen zu bauen und zu verstehen, die aus Daten Antworten über das Wesen der Natur generieren. Ob es sich hierbei um eine Regression oder ein tiefes neuronales Netz handelt macht für mich eigentlich gar nicht so einen großen Unterschied.

Nicht in der Lehre, aber wir haben diverse interdisziplinäre Zusammenarbeiten in der Forschung. Einen Überblick gibt die Webseite meiner Arbeitsgruppe, oder meine Publikationsliste.

KI ist ja zunächst mal kein Fach, sondern eine Anwendung. Die Entwicklung von KI Anwendungen erfordert das entsprechende Fachwissen, was typischerweise methodisch aus den Bereichen Statistik, Informatik, Mathematik und den jeweiligen Fachbereichen kommt, für die KI Anwendungen entwickelt werden sollen. Ich denke es ist deshalb wichtig, zunächst in den Studienfächern der Uni, aber auch schon in der Schule, die nötigen Grundkompetenzen für die KI zu entwickeln. Darunter verstehe ich primär Mathematik, Statistik und Programmierung, die sowohl in der Schulausbildung als auch in den Studienplänen gestärkt werden sollten. Darauf aufbauen kann man über spezialisierte Studiengänge nachdenke, sollte ich denke gleichzeitig könnten ein paar Grundkenntnisse in diesem Feld eigentlich auch in jedem MSc Studiengang, inkl. der Geisteswissenschaften, verankert werden. Mit den entsprechenden Frameworks ist es ja schließlich kein Hexenwerk ein neuronales Netz zu bauen, das könnte man im Prinzip in jedem MSc lehren, und ich denke zumindest ein Grundverständnis worum es hier geht wäre wichtig.

Ich denke das ist eine hervorragende Initiative, die z.T. übrigens aus einer Kommission zum Thema Data Science an der UR hervorgegangen ist, in der ich auch vertreten war

Nein, ich denke wir haben alles abgedeckt, vielen Dank für die Fragen!

Herr Hartig, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben, uns diese Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!

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