Interview mit Prof. Dr. Bernd Ludwig

Bernd Ludwig studierte Informatik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Für seine Promotion entwickelte er einen planbasierten Dialogmanager. Die Habilitationsschrift hat den Titel „Planbasierte Mensch-Maschine-Interaktion in multimodalen Assistenzsystemen“.

Von September 1997 bis April 2004 war Bernd Ludwig wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Wissensverarbeitung am Bayerischen Forschungszentrum für Wissensbasierte Systeme in Erlangen; von Mai 2004 bis April 2010 wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bernd Ludwig war 2010 BIT guest professor und postdoc researcher an der Fakultät für Informatik der Freien Universität Bozen und dem Department of Information Engineering and Computer Science der Universitá degli Studi di Trento und von November 2010 bis März 2011 Privatdozent am Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz in Erlangen. Im Sommersemester vertrat Bernd Ludwig die Professur für Informationslinguistik an der Universität Regensburg, seit August 2011 hat er diese Professur dauerhaft inne.

Forschungsschwerpunkte sind der Zusammenhang zwischen Sprache und Handeln in zweckrationalen Mensch-Maschine-Interaktionen und Algorithmen zu seiner effizienten Implementierung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Implementierung von Assistenzfunktionen für Nutzer, die mobile Geräte als unterstützende Werkzeuge bei der Lösung komplexer Aufgaben einsetzen.

Bernd Ludwig ist Gutachter bei und Organisator von verschiedenen internationalen Tagungen und Mitherausgeber der Zeitschrift Künstliche Intelligenz.

PROF. DR. BERND LUDWIG

Informationslinguistik

Ich arbeite am Lehrstuhl für Informationswissenschaft und habe dort die Professur für Informationslinguistik.

Die wichtigsten Themen sind Methoden der Computerlinguistik, sprachbasierte Assistenzsysteme und Grundlagen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens.

Bei allen Themen in der Lehre, aber auch Forschung, sind Methoden der KI der Schlüssel zur Lösung. Ohne sie könnten wir überhaupt nichts machen, d.h. überhaupt keine Programme entwickeln, die sprachlich interagieren können, Problemlösung selbst situationsabhängig ermitteln können oder komplexe Sensordaten analysieren können

Im Team erklären wir die Mathematik in der Vorlesung, indem Konzepte eingeführt und erläutert werden. In einer Übung zu den Veranstaltungen probieren wir alles praktisch aus, indem wir Jupyter Notebooks nehmen. Das haben wir von der AG Spang gelernt. Wir nutzen auch deren Implementierung, wie sich Studierende einloggen und ihren privaten Arbeitsbereich nutzen können. In unseren Studiengängen haben viele Studierende weniger Vorkenntnisse aus den relevanten Gebieten der Mathematik als etwa in einem Informatikstudiengang, v.a. weil sie keine speziellen Mathematikvorlesungen hören. Wir bemühen uns also, bei der Mathematik aus der Schule anzufangen und müssen dabei viel an die Intuition appellieren, weil wir nicht auf fortgeschrittene Mathematik-Lehrbücher verweisen können. Wir hoffen, dass wir trotzdem immer die spezielle Idee deutlich machen können – vielleicht fänden das ja sogar Informatikstudierende lehrreich …

Studierende sollen neben den theoretischen Grundlagen v.a. mit Softwarewerkzeugen begründet (und nicht nur durch Kopieren von Befehlszeilen aus Online-Tutorials) Methoden der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens auf eigene Problemstellungen anwenden können.

Wie oben gesagt, ohne diese Kompetenzen können Studierende nicht verstehen, was wir in der Forschung machen, und sie können auch ähnliche Frage in anderen beruflichen Kontexten, z.B. in der Industrie, nicht adäquat bearbeiten.

Wir entwickeln virtuelle Agenten für die automatisierte Durchführung von expositionstherapeutischen Sitzungen, chatbots zur Assistenz bei komplexen Abläufen (unser aktuelles Anwendungsszenario ist eine digitalisierte Küche), mit der probabilistischen Positionsschätzung für Indoor-Navigationssysteme und mit wissensbasierten Beratungssystemen für zielorientierte Ernährung und Bewegung.

Wir haben kaum Themen, die nicht mit KI zu tun haben. Ein interessantes Beispiel ist, dass wir immer neue Methoden entwickeln, um automatisiert herauszufinden, was ein Nutzer gerade denkt im Bezug auf eine aktuelle Problemlösung, bei der ihm eines unserer Systeme assistiert. So können wir zeigen, dass wir nur durch Analyse der Blicke auf das Display eines Navigationssystems gut einschätzen können, wie leicht es der Person gerade fällt, sich in der Umgebung zu orientieren und den Weg einzuschlagen, den unser Navigationssystem vorschlägt.

Ich habe an der Uni Erlangen Informatik studiert mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz. Danach war ich am Lehrstuhl für Mustererkennung (jetzt würde man Maschinelles Lernen dazu sagen) und dann am Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und zwischendrin mal eine Zeitlang bei ähnlichen Arbeitsgruppen an den Unis Bozen und Trento in Italien.

Früher wurden die KIler belächelt, dass sie sich mit Fragen beschäftigen, von denen die Theorie nachgewiesen hat, dass es sich um NP-vollständige Probleme handelt, also eine Lösung für große Aufgaben oder Datensätzen die Speicher- und Rechenzeitgrenzen von Computern sprengt. Dann wurden sie belächelt, dass Spracherkennung nicht funktioniert, Dialogsysteme auch nicht und Bilderkennung schon gar nicht. Jetzt, nachdem einige hartnäckig genug waren und sich nicht beirren ließen, sieht man Bilderkennung als gelöst an, Spracherkennung geht immer besser und auch manche Chatbots erzeugen Äußerungen, die man von menschlichen kaum unterscheiden kann – der Umgang mit diesen Themen ist also leicht und schwer

Ich finde spannend, wie sich Aufgaben wie Dialogführung so formalisieren lassen, dass gute algorithmische Lösungen verständlich und effizient werden.

Ja, z.B. arbeiten wir mit der Psychologie an einem virtuellen Agenten, der Expositionstherapie durchführen kann. Daran spannend ist, wie wir die Entscheidungen von Therapeuten in Algorithmen abbilden können.

Ich denke, dass KI-Methoden und die dahinterliegenden mathematischen Verfahren in immer mehr Fächern Einzug halten werden, weil sich dadurch auch epistemologische Effekte auf die Fächer selbst ergeben: das Analysieren von Daten war schon oft theoriebildend. Das hat Einfluss auf die Lehre. Und die größte Herausforderung ist, wie wir KI, oder Teile davon, lehren, ohne dass alle erstmal ein halbes Mathe- und dann ein halbes Informatikstudium absolvieren müssen, bevor sie zu ihrem eigentlichen Studiengang kommen.

Mit Rainer Spang bin ich einer der Initiatoren und vertrte mit ihm die Uni im Data Literacy Education Network des Stiftferverbands.

Nein.

Herr Ludwig, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben, uns diese Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!

 

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